Andy Weir „The Martian“ – Ingenieurs-Porn vom Feinsten und ein sensationeller Selfpublisher-Erfolg

Andy Weir „The Martian“ – Ingenieurs-Porn vom Feinsten und ein sensationeller Selfpublisher-Erfolg

Ich bin kein großer Freund von Science Fiction, darum ist es vielleicht verwunderlich, dass ich ausgerechnet Andy Weir, die Autoren-Entdeckung des Jahres 2014 für Science Fiction und seinen Debütroman „The Martian“ („Der Marsianer“) gelesen habe. Und wie so viele bin ich der Empfehlung von Fefe gefolgt. Skeptisch zwar, denn seinen Filmempfehlungen kann man nur trauen, wenn es um politische Dokumentationen geht, der Rest sind eher action-lastige Blockbuster, die mich gar nicht interessieren. Aber ich wollte wissen, was er wohl für Bücher liest. Wie sich herausstellt: Ingineurs-Porn.

Das Setting von „The Martian“ ist schnell erzählt: aufgrund eines Unfalls wird einer der Astronauten einer Mars-Mission auf dem Planeten zurück gelassen und kämpft nun dort mit den ihm zur Verfügung stehenden, sehr begrenzten Ressourcen ums Überleben. Immer wieder gibt es neue Aufgaben, Probleme und Herausforderungen, die er mit viel Geschick, Intelligenz und ein wenig Glück lösen kann, um so lange wie möglich zu überlegen. Daraus entwickelt sich ein langer und zumindest teilweise auch spannender Überlebenskampf.

Damit ist dann auch die Story weitgehend erzählt. Denn The Maritan ist Ingenieurs-Porn vom Feinsten. Man kann viel lernen, wie ein Wohnzelt auf dem Mars konstruiert sein müsste, wie die Mars-Rover aussehen und funktionieren, wie man in einer lebensfeindlichen Umgebung und ohne Kontakt zur Erde überleben kann. Wie man aus Raketentreibstoff Wasser und aus Urin Raketentreibstoff herstellen kann, um solche Dinge geht es in dem Roman und sie werden vom Autoren mit großer Kenntnis und im Detail beschrieben. Der Rest ist Nebensache. Und obwohl mich das Buch absolut in seinen Bann gezogen hat – es passiert mir nur selten, dass ich ein Buch nicht aus der Hand legen kann – so war ich am Ende doch genervt. Denn eine Figurenentwicklung gibt es fast überhaupt nicht. Und die Probleme werden irgendwann auch vorhersehbar und es ist klar, dass wieder etwas passieren wird. Wie genau der Marsianer Mark Witney überlebt, hat mich dann trotz meiner Nerd-Vergangenheit nur noch am Rande interessiert.

Das Buch wurde vom Andy Weir 2011 als Selfpublisher veröffentlicht, weil alle seine früheren Bücher von Agenturen abgelehnt wurden. Es erschien kapitelweise und kostenlos auf seiner Homepage. Erst auf Wunsch seiner Leser machte er eine eBook-Version auf Amazon für 99 Cent verfügbar, die innerhalb von 3 Monaten mehr als 30.000 Mal verkauft wurde – und damit häufiger als der Text auf seiner Webseite gelesen worden war. Anfang 2013 verkaufte er die Audiobook-Rechte und etwas später die Print-Rechte für einen sechsstelligen Betrag an einen Verlag. Das Buch hat es in die NY-Times Bestseller-Liste geschafft und wird derzeit verfilmt, mit Ridley Scott als Regisseur und Matt Damon in der Hauptrolle. Eine beeindruckende Selfpublisher-Erfolgsgeschichte.

Zoe Beck „Das alte Kind“ – Mutter sucht Tochter und umgekehrt

Zoe Beck „Das alte Kind“ – Mutter sucht Tochter und umgekehrt

Zoë Becks 2010 erschiener Krimi/Thriller ist eines jener Bücher, das ich mehrfach beinah aus der Hand gelegt hätte, weil sich der Anfang arg lang zieht, bevor es in der zweiten Hälfte deutlich an Fahrt gewinnt und schließlich sogar noch einen beeindruckenden Endspurt hinlegt. Den langatmigen Anfang des Buches kann das Ende aber doch ausgleichen.

Zwei Geschichten werden hier parallel erzählt, eine spielt im Berlin der 80er Jahre, die andere im Edinburgh der Gegenwart. In Berlin wird eine Galeristin für einige Tage ins Krankenhaus eingeliefert und für diese Zeit von ihrem Baby getrennt. Als sie es wieder bekommt, behauptet sie steif und fest, dass es sich nicht um ihr Baby handelt. Aber sie kann ihre Umwelt davon nicht überzeugen, selbst ihren Mann nicht. Ist es der Stress? Die verkorkste Beziehung zu ihrem Ehemann, dem Starpianisten? Oder besteht sie auf dieser Geschichte, weil sie merkt, das etwas mit ihrem Kind nicht stimmt, und besonders nachdem bei diesem Kind eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird?

In Edinburgh wiederum wacht eine junge Frau in einer Badewanne auf, das sich langsam mit ihrem eigenen Blut rot färbt. Hat sie einen Selbstmordversuch unternommen, ohne sich daran erinnern zu können? Sie schleppt sich ins Krankenhaus, überzeugt dass man versucht hat, sie zu ermorden, aber auch sie kann niemanden von ihrer Geschichte überzeugen. Es ist klar, dass die beiden Erzählstränge schließlich zusammen führen, und so ist das Ende des Plots nicht wirklich überraschend, aber das Wie ist es um so mehr.

Der Stoff des Buches ist durchaus interessant, die Fragen nach Familie und Abstammung, und nach der besonderen Verbindung zwischen Mutter und Kind, die leider etwas mystifiziert wird. Aber die Geschichte trägt schwer am langatmigen ersten Teil des Buches, über den auch die mitunter blassen Figuren nicht hinweg helfen. Schon bald ist klar, dass die Mutter Carla auf ihrer Behauptung gegen alle Widerstände beharrt. Der schleichende Zerfall ihrer Beziehung und ihres Lebens wäre ein spannedes Thema für ein Buch, aber das wird nur nebenher betrachtet, immer wieder, und für mich ermüdend, werden die erfolglosen Bemühungen der Mutter beschrieben, doch noch ihr Kind zu finden.

Überhaupt die Figuren. Eine Mutter, die mit einem fremden Kind im Haus aufwächst, allein in dieser Konstellation liegt schon so viel Spannung, die aber leider im Buch gar nicht eingefangen wird. Auch die Beziehung zum etwas einseitig Öffentlichkeits-gesteuerten Ehemann zerfällt nur so nebenher. Lediglich eine neu gefundene Freundin hat bei mir Interesse geweckt, aber auch sie kann die langatmige erste Hälfte des Buchs nicht retten. Auch wenn die meisten Figuren detailreich geschildert werden, sind sie etwas klischeehaft und man erkennt recht schnell, wer der Bösewicht ist.

Die zweite Geschichte in England wird etwas stringenter und interessanter erzählt. Aber auch hier das Problem, dass es eine Geschichte in der Geschichte gibt, die selber stark genug gewesen wäre. Eine WG mit zwei Frauen, die sich beide sehr ähnlich sind, viel zu ähnlich, und das ist kein Zufall, wie man irgendwann merkt. Das ist selbst wiederum eine spannende Geschichte, wird aber auch nur nebenher erzählt und stattdessen der Thriller-Plot voran getrieben.

Würde ich das Buch empfehlen? Eventuell. Wer sich für das Thema interessiert und die Sprache von Zoë Beck mag, der wird die erste Hälfte schnell durchlesen und an der zweiten Hälfte Spaß haben. Ansonsten gibt es bessere Bücher von ihr.

Tl;dr: Zoë Becks „Das alte Kind“ dreht sich um Familie und Abstammung, hat ein spannendes Ende, aber die erste Hälfte ist leider langweilig.

Über Philip K. Dicks „Labyrinth der Ratten“ und die Krise in der Ukraine

Manchmal hält das Leben wirklich merkwürdige Zufälle bereit, so etwa dass ich vor kurzem angefangen habe, „Das Labyrinth der Ratten“ (engl. The Zap Gun) von Philip K. Dick zu lesen. Das hat meinen Blick auf die Krise in der Ukraine nachhaltig beeinflusst. Passenderweise zeichnet sich in der deutschen Qualitätsmedienlandschaft gerade eine kleine Krise ab. So ist es interessant zu beobachten, wie z.B. auf SPON die gefangenen „OSZE-Beobachter“ langsam und kommentarlos zu Militärberatern werden. Und so geht es ja schon seit Jahren. Da wird der absurde Narrativ von einer „Staatsschuldenkrise“ und dass „Deutschland Europa rettet“ und „es geht uns gut“ wie ein Mantra wiederholt und erst in letzter Zeit eine wenig kritisch beäugt. Bei der Berichterstattung zur Ukraine dagegen wird von Anfang an bemängelt, dass sie zu einseitig auf den simplen Narrativ des irren bzw. bösen russischen Aggressors beschränkt ist. Spannend zu beobachten, dass die deutschen „Q“-Medien gerade erst anfangen zu lernen, dass sie die Meinungshoheit an das Internet verlieren.

Aber zurück zum „Labyrinth der Ratten“, einem Roman über einen (Kalten) Krieg: ein Westblock kämpft gegen einen Ost-Block, und weil es ein Science-Fiction ist, gibt es auch besiedelte Planeten, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Hauptfigur des Romans ist der Waffenerfinder Lars Powderdry, der in Trance neue Waffen ersieht, die dann von der eifrigen Waffenindustrie gebaut und eingesetzt werden. Der verheerende „Erfolg“ dieser Waffen wird dem Publikum dann im Abendprogramm präsentiert. (So weit sind wir in der Ukraine zum Glück noch nicht, auch wenn die Bericht über militärische Bedrohungs-Übungen durchaus beunruhigend sind.)

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Leider nicht lesbar: Inselfluch von Kerstin Michelsen

tl;dr: Plot wenig originell und mit ein paar logischen Fehlern. Die Figuren sind flach und nervend. Sprache ist sehr einfach und der Schreibstil voller Schachtelsätze und Füllwörter. Insgesamt nervend. Nach 40% habe ich das Buch nur noch überflogen, was aber für die Story ausreicht.

Es sollte mal wieder ein Ausflug zu den Selfpublishern werden, und mir stand der Sinn nach einem Krimi oder einem Thriller. Also habe ich mich (großer Fehler) auf die Bewertungen auf Amazon verlassen und bin einer Empfehlung gefolgt und so bei „Inselfluch“ von Kerstin Michelsen gelandet, eine Lektüre die leider geeignet ist, das größte Klischee über Selfpublisher zu bestätigen, nämlich dass kein Wert auf Inhalt und Lektorat gelegt wird, solange das Cover gut aussieht.

Das Setting für diesen Thriller ist eigentlich gut gewählt: eine einsame, schwedische Insel, eine zusammengewürfelte Gruppe und ein einsames Haus – das riecht nach gutem Thriller-Material, auch wenn es nicht unbedingt originell ist. Aber leider fangen zwei Dinge wirklich schnell zu nerven an. Das ist zum einen der Sprachstil und zum anderen die flachen Charaktere ohne Entwicklung. Hinzu kommen noch ein paar logische Fehler und eine insgesamt sehr vorhersehbare Entwicklung der Geschichte, was insgesamt ein frustrierendes Leseerlebnis ergibt. Hier eine unvollständige Liste der Enttäuschungen.

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